Das Parlament will 5.3 Milliarden in den Ausbau neuer Autobahnen verlochen. Und das ist erst der Anfang. Total sollen in den nächsten Jahrzehnten 35 Milliarden ausgegeben werden. umverkehR kann das nicht akzeptieren und ergreift gemeinsam mit verschiedenen Partnerorganisationen das Referendum. Die Klimakrise erfordert eine Abkehr von den Rezepten des letzten Jahrtausends und die Förderung der Verkehrswende.
Das Schweizer Parlament will gemäss der heutigen Schlussabstimmung mitten in der Klimakrise und nur wenige Monate nach der erfreulichen Annahme des Klimaschutzgesetzes 5.3 Milliarden in den Ausbau neuer Autobahnen verlochen. Dabei weisen sämtliche Expert*innen, Studien und Erfahrungen darauf hin, dass der Ausbau der Autobahnen kontraproduktiv ist, weil dadurch die Stauprobleme nicht gelöst, sondern durch den induzierten Verkehr sogar noch verschärft werden. «umverkehR wird diesen Entscheid gemeinsam mit verschiedenen Partnerorganisationen mit dem Referendum bekämpfen.», kündigt umverkehR-Co-Präsidentin Franziska Ryser an.
Autoverkehr reduzieren nicht fördern
Der Parlamentsentscheid steht im Widerspruch zum im vergangenen Juni angenommene Klimaschutzgesetzt. Dieses schreibt im Verkehrsbereich einen konkreten Absenkpfad vor. Um das Netto-Null Ziel im Verkehr zu erreichen, braucht es gemäss seriösen Szenarien eine Reduktion des Autoverkehrs. Warum sollen Strassen ausgebaut werden, wenn die Anzahl Fahrzeuge reduziert werden muss?
Die milliardenschwere Förderung des Autoverkehrs ist das pure Gegenteil der Empfehlungen, Studien und beschlossenen Zielen. Und die 5.3 Milliarden sind erst der Anfang. In den nächsten Jahrzehnten sollen total 35 Milliarden für den Ausbau klimaschädlicher Autobahnen verlocht werden: eine Katastrophe für die Schweizer Klimapolitik!
«Damit wir die Klimaziele erreichen, müssen wir Milliarden in die Förderung des ÖV sowie des Fuss- und Veloverkehrs investieren.»
Mehrere Länder verzichten auf Autobahnprojekte
Wales und die Niederlande haben beschlossen, alle Investitionen in neue Autobahnen zu stoppen, und der französische Verkehrsminister hat gerade angekündigt, dass Frankreich auf ein Dutzend lokal sehr umstrittene Autobahnprojekte verzichten wird, um seine ökologischen Ziele einzuhalten. «Diese Beispiele sind keine Ausnahmen, sondern der Beginn eines Paradigmenwechsels: Der Autobahnausbau ist unvereinbar mit der Erhaltung eines bewohnbaren Planeten! Die Schweiz hat bereits eines der dichtesten Autobahnnetze in Europa und muss sich dieser Entwicklung anschliessen und den Autobahnausbau stoppen», erklärt Silas Hobi, Geschäftsleiter von umverkehR.
Aus der Zeit gefallen
«Heute den Ausbau von Autobahnen zu beschliessen, ist völlig aus der Zeit gefallen.», ärgert sich Ryser. Dazu kommt, dass die vorgesehenen Autobahnausbauten vor oder sogar in Städten wie Basel, Bern, Genf, Nyon, St. Gallen oder Schaffhausen liegen. Dabei können in Städten die meisten Wege ohne Auto zurückgelegt werden, weil der ÖV gut ausgebaut ist und die Alltagsstrecken kurz sind. Hier braucht es keine teuren Autobahnprojekte, die Mehrverkehr verursachen. «Damit wir die Klimaziele erreichen, müssen wir Milliarden in die Förderung des ÖV sowie des Fuss- und Veloverkehrs investieren.», fordert Ryser. Entsprechend ist der Widerstand gegen den Autobahnausbau breit abgestützt und lokal verankert, wie folgende Zitate zeigen:
«Das ASTRA plant im Nordosten Berns einen flächendeckenden Ausbau der Autobahnen - also keine «Engpassbeseitigung», wie es seine Strategie irreführend bezeichnet. Die beiden Projekte des Ausbauschritts 2023, darunter der Achtspurausbau (!) der Grauholzautobahn, sind nur der Anfang. Für die Projekte müssten hektarweise bestes Kulturland und Wald vernichtet werden. Der Ausbau steht im krassen Gegensatz zur kantonalen und regionalen Verkehrsstrategie. Das untergeordnete Strassennetz würde nicht entlastet, wie dies häufig behauptet wird, sondern durch den induzierten Mehrverkehr zusätzlich beansprucht. Die Folgen dieser kurzsichtigen Ausbaupolitik für den Auto-Pendelverkehr hätten die Menschen vor Ort zu tragen. Der Verein Spurwechsel engagiert sich gemeinsam mit Direktbetroffenen, unter anderem aus der Landwirtschaft, gegen diese schädlichen Projekte.»
Raphael Wyss, Geschäftsleiter Verein Spurwechsel
«Die Verdoppelung der Verkehrsmenge durch den Bau der Rheintunnel-Autobahn ist nicht mit den Klimazielen und einer lebenswerten Stadtentwicklung in Basel vereinbar. Wir wehren uns gegen die Zerstörung des wichtigen Quartierparks Dreirosenmatte, der über 100 Familiengärten und der Waldfläche für ein solches Projekt aus dem vergangenen Jahrtausend.»
Roman Künzler, Vorstandsmitglied Dreirosen bleibt / Rheintunnel Nein
«In St.Gallen erweckt besonders der Zubringer Güterbahnhof Widerstand. Die Notwendigkeit des Autobahnanschlusses am Güterbahnhof wird bestritten. Es sind vermutlich die drei teuersten Strassenkilometer der Schweiz. Bedient werden trotzdem nur die Ein- und Ausfahrten von und nach Zürich. Der Knoten bei der Ausfahrt ins Stadtzentrum wird zum neuen Engpass, vor allem für ÖV sowie Velo- und Fussverkehr. Dies bestätigt eine Testplanung im Auftrag von Kanton und Stadt. Das untergeordnete Strassennetz in St.Gallen vermag den zusätzlich erzeugten Verkehr voraussichtlich nicht aufzunehmen. Es ist mit häufigeren und längeren Staus in der Innenstadt zu rechnen. Mit dem 15min-Takt der Appenzeller Bahnen durch den neuen Ruckhaldentunnel sind die unmittelbar südlichen gelegenen appenzellischen Nachbargemeinden bestens bedient. Für den Rest des Appenzellerlandes liegen andere Autobahnanschlüsse heute schon näher.»
Markus Tofalo, Vorstandsmitglied Verein gegen den Autobahnahschluss am Güterbahnhof St.Gallen
«Das Ausbauprojekt in Schaffhausen muss überarbeitet werden, da es eine massive Verkehrszunahme in Wohnquartieren verursacht – vor Schulen, Kindergärten und Spielplätzen. Die Siedlungsentwicklung wird negativ beeinträchtigt und auch ein Einbezug der Betroffen hat nicht stattgefunden.»
Sebastian Schmid, Co-Präsident IG Fäsenstaub
«Die Erweiterung der Autobahn zwischen Genf und Nyon auf sechs Spuren steht in völligem Widerspruch zu allen aktuellen Planungen in der Region. Sie wird Mehrverkehr generieren, der weder von Genf noch Nyon oder Lausanne aufgenommen werden kann. Im Gegenteil: Der Genfer Klimaplan sieht vor, den motorisierten Verkehr im Kanton Genf innerhalb von zehn Jahren zu halbieren. Der erst vor wenigen Tagen vom Genfer Grossen Rat einstimmig angenomme Gegenvorschlag zur Stadtklima-Initiative, zeugt von einem klaren Willen, den Raum für Autos in den Städten des Kantons zu reduzieren. Es ergibt überhaupt keinen Sinn, eine Autobahnröhre zu erweitern, die in einen städtischen Trichter mündet.»
Thibault Schneeberger, Koordinator umverkehR Westschweiz