Das Nein am 24. November 2024 war ein Entscheid gegen noch mehr Autoverkehr, für mehr Klimaschutz und für die Förderung des öffentlichen Verkehrs und des Veloverkehrs. Ausschlaggebend waren die Frauen und die Mobilisierung. Der Entscheid läutet eine neue Verkehrspolitik ein.
Bei einer Annahme der Vorlage befürchteten die Nein-Stimmenden mehr Autoverkehr, mehr Stau und mehr Umweltbelastung. Statt Geld in die Förderung des Autoverkehrs zu stecken, solle der ÖV oder generell die nachhaltige Mobilität priorisiert werden. Das haben die beiden Nachwahlbefragungen von LeeWas und gfs ergeben. Die Erkenntnis, dass mehr Strassen zu mehr Verkehr führen, war für die allermeisten Nein-Stimmenden ausschlaggebend für ihren Abstimmungsentscheid.

Frauen und Wenigverdienende
Entscheidend für das Abstimmungsergebnis war die erfolgreiche Mobilisierung der Auto(bahn)- kritischen Menschen. Der mit 61 Prozent sehr hohe Nein-Anteil der Frauen gab den Ausschlag für die schweizweite Ablehnung des Autobahnausbaus. Die Männer hätten ihn mit 56 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Zudem gab es bei der Stimmbeteiligung zwischen den Geschlechtern keinen Unterschied. Das ist ein starker Mobilisierungserfolg, denn die Stimmbeteiligung ist bei anderen Abstimmungen bei Frauen im Durchschnitt 8 Prozent tiefer als bei Männern.
Neben dem Geschlecht war auch das Einkommen ein wichtiger Faktor. Während Menschen mit weniger als 4000 Franken Einkommen zu fast zwei Drittel Nein stimmten, haben sich jene, die monatlich 13 000 Franken oder mehr verdienen, für mehr Autobahnen ausgesprochen. Das lässt sich zum einen damit erklären, dass in der Gruppe mit kleinerem Einkommen Frauen die Mehrheit ausmachen. Zum anderen steigen sowohl der Autobesitz wie auch die Autonutzung, je höher das Einkommen ist.
Zuwanderung (kein) Thema
Rösti, Kommentierende und Medien haben am Abstimmungssonntag beflissen die Behauptung verbreitet, das Nein sei gar kein ökologisches, sondern ein rechtes Nein gegen Zuwanderung. Die am Tag nach der Abstimmung veröffentlichte Nachwahlbefragung von LeeWas ergab jedoch wenig überraschend, dass die wichtigsten Argumente gegen den Autobahnausbau der befürchtete Mehrverkehr sowie der Klimaschutz waren. Trotzdem hielt sich die Behauptung mit der Zuwanderung hartnäckig. Erst seit der Vox-Nachbefragung des Forschungsinstituts gfs Mitte Januar ist sie (hoffentlich) endgültig vom Tisch. Bei 3113 befragten Stimmberechtigten wurde die Zuwanderung lediglich zwei Mal als Motiv genannt.
Dass die Fehlinterpretation so oft wiederholt wurde, zeigt nicht nur bürgerlich-rechtes Wunschdenken. Es bestätigt auch die wissenschaftlich nachgewiesene Erkenntnis, dass Politiker* innen die Bevölkerung generell für konservativer halten, als sie tatsächlich ist. Das gilt interessanterweise für Politiker*innen aller Parteien.
Betroffene Regionen gegen Autobahnen
Ebenso falsch ist die von Rösti am Abstimmungssonntag verbreitete Behauptung, in Regionen, in denen ein Autobahnausbau geplant war, sei der Ja-Anteil grösser gewesen. Ein Blick auf die Karte mit den Abstimmungsergebnissen zeigt, dass die allermeisten direkt betroffenen Orte Nein gestimmt haben. Darunter die Städte Basel, Bern, Genf, Nyon, Schaffhausen und St. Gallen. Auch viele Gemeinden wie Birsfelden, Bolligen, Ittigen, Urtenen-Schönbühl, Versoix und Zollikofen haben sich gegen den Autobahnausbau ausgesprochen. Richtig ist aber, dass viele nicht direkt betroffene Gemeinden und Städte Nein gesagt haben. Gemäss Nachwahlbefragungen waren es dort dieselben Argumente, die zum Nein führten wie anderswo (Mehrverkehr, Klima). Und nicht der von Rösti herbeigeredete Wunsch nach Autobahnen vor der eigenen Haustüre. So wurde auch die Frage von gfs, ob die Befragten weitere Autobahnausbauschritte grundsätzlich befürworteten, mit 51 zu 48 Prozent verneint.
Wie geht es weiter?
Für uns ist klar: Dieser Entscheid ist historisch – zum ersten Mal hat die Bevölkerung den Autobahnausbau abgelehnt. Die Mehrheit hat sich für ein Verkehrssystem ausgesprochen, das mit den Herausforderungen der Klimakrise vereinbar ist. Autobahnen dürfen deshalb nicht weiter ausgebaut werden. Die Milliarden, die für den Autobahnausbau gedacht waren, braucht es anderswo dringend, beispielsweise für den Ausbau von Bus, Tram und S-Bahn, aber auch bei der Veloinfrastruktur. Für die Autobahnen soll nur noch so viel ausgegeben werden, wie Betrieb und Unterhalt benötigen. Die von Rösti angekündigte Neubeurteilung aller Autobahnprojekte und damit die Wiederaufnahme der von der Bevölkerung abgelehnten Autobahnprojekte durch die Hintertür ist inakzeptabel. Ebenso die Idee, in Zukunft Autobahn und ÖV-Projekte zu verknüpfen und so den ÖV in Geiselhaft zu nehmen, um Autobahnen durchzudrücken. Wir werden sehr genau hinschauen, was Rösti vorhat, und sind bereit für das nächste Referendum, wenn es nötig werden sollte.