Es ist mir wichtig zu betonen: Die 5,3 Milliarden, die am 24. November zur Abstimmung kommen, sind erst der Anfang. Der Bundesrat hat bereits Projekte im Umfang von rund 35 Milliarden zu Handen des Parlaments verabschiedet. Die Liste der Ausbauprojekte ist im «Strategischen Entwicklungsprogramm Nationalstrassen» – besser bekannt unter dem irreführenden Begriff «STEP» – detailliert aufgeführt.
Diese Fehlinvestitionen sind aber kein «Step in die Zukunft», sondern eher zwei Schritte rückwärts – ja sie werfen uns insbesondere klimapolitisch Jahrzehnte zurück. Aber auch verkehrspolitisch beruht der Autobahnausbau auf veralteten, überholten Konzepten – nämlich nach wie vor auf dem Netzbeschluss von 1960. Einer Zeit – wohlgemerkt – als Ingenieure und Verkehrsplaner (Frauen gab es in diesen Berufen damals kaum) Städte umkrempelten, um sie mit Autoverkehr zu überrollen.
Die Städte und Agglomerationen haben unterdessen gemerkt, dass der Autoverkehr die Bevölkerung mit Lärm und Abgasen belastet und eine Gefahr für Kinder, Velofahrer*innen und Fussgänger*innen bedeutet. Sie setzen auf den Ausbau des ÖV, bauen die Veloinfrastruktur aus und schaffen verkehrsberuhigte Quartiere für die Anwohner*innen. So ist es auch wenig überraschend, dass sich viele betroffene Gemeinden gegen die geplanten Projekte einsetzen.
Gegen die Projekte Wankdorf- Schönbühl und Schönbühl-Kirchberg sprechen sich die Gemeinden Bern, Bolligen und Zollikofen aus. In Basel hat der Grosse Rat die Regierung beauftragt, sich verbindlich und nachweisbar für den Rückbau der Osttangente einzusetzen, sollte der Rheintunnel realisiert werden – aktuell ist dies nicht vorgesehen. In Schaffhausen fordert der Grosse Stadtrat die Verkleinerung des Projekts durch den Verzicht auf den Offenausbau und in St. Gallen lehnt das Parlament den geplanten Autobahnanschluss Güterbahnhof ab und hat alle Abschnitte zum neuen Autobahnanschluss aus dem Richtplan gestrichen. Auch in der Romandie lehnen Vernier sowie die Stadt Genf den Ausbau der A1 ab und in der Regierung von Nyon gibt es eine starke Opposition.
Die Behauptung von Bundesrat Rösti, wonach der Kapazitätsausbau der Autobahnen die Städte vom Autoverkehr entlasten soll, wird von den betroffenen Gemeinden offensichtlich nicht geteilt. Vielmehr rechnen sie mit Mehrverkehr durch den Kapazitätsausbau, wie es zahlreiche Beispiele und Studien in der Vergangenheit gezeigt haben. Sogar das ASTRA selbst räumt ein, dass der Ausbau beispielsweise in der Romandie viel induzierten Verkehr in die Städte bringt.
Dieser Mehrverkehr steht im Widerspruch zu unseren Klimazielen. Denn der Autoverkehr ist in der Schweiz für den höchsten Anteil der CO2-Emissionen verantwortlich und wirkungsvolle Reduktionsmassnahmen wie in der Industrie oder im Gebäudebereich fehlen bislang. Der Bundesrat gibt in seiner «Botschaft zum Ausbauschritt 2023 für die Nationalstrassen» selber unumwunden zu – Zitat: «Die Umsetzung des Ausbauschrittes 2023 führt zu einer Erhöhung der Fahrleistung und damit zu höheren Emissionen von Luftschadstoffen und Klimagasen.»
Spätestens nach der Annahme des Klimaschutzgesetzes am 18. Juni 2023 hätte dieses Geschäft nur schon deshalb gestoppt werden müssen. Es ist unerklärlich und absolut inakzeptabel, wie angesichts der gesetzlich verankerten Reduktionsziele ausgerechnet der klimaschädliche Autoverkehr in den nächsten Jahrzehnten mit 35 Milliarden gefördert werden soll. Ich möchte Sie bei dieser Gelegenheit daran erinnern, dass sich die Preise des ÖV – gemäss Preisüberwacher Stefan Meierhans – in den letzten dreissig Jahren verdoppelt haben, während diejenigen des Autos kaufkraftbereinigt sogar gesunken sind. Ich möchte Sie ausserdem daran erinnern, dass der Bundesrat krampfhaft versucht, bis 2030 5 Milliarden zu sparen, während wir beim Autobahnausbau 5,3 Milliarden verlochen sollen.
Diese Fehlentwicklungen müssen wir stoppen. Und darum ist die Ablehnung des Autobahnausbaus am 24. November so zentral. Es ist eine richtungsweisende Abstimmung für die Schweizer Verkehrspolitik. Und sie wird entscheidend sein, ob wir die Klimaziele erreichen – denn für eine Klimawende brauchen wir auch eine Verkehrswende.