Strassen und Autoverkehr sind stark unterschätzte Faktoren beim Artensterben. Warum das so ist, erklärt Paul F. Donald, Biologe und Forscher bei der Umweltorganisation BirdLife International, in seinem Buch.
Es ist offensichtlich, dass Strassen eine direkte Bedrohung für die biologische Vielfalt darstellen. Zunächst einmal durch die physische Barriere, die sie schaffen: Für viele Tierarten ist das Überqueren einer Strasse ein riskantes Unterfangen. Die Zahl der grossen Wildtiere, die durch Kollisionen auf Schweizer Strassen getötet werden, soll bei mindestens 20 000 Tieren pro Jahr liegen. Dies ist nur die Spitze des Eisbergs, da viele getötete Tiere gar nicht erfasst werden.
Jene Tiere, für die eine Strasse zu einer unüberwindbaren Barriere wird, sehen ihr Gebiet in Inseln segmentiert, was tragische Folgen hat. Die Populationen sind weniger vielfältig und somit genetisch ärmer, sie können sich schlechter an die Klimakrise anpassen und sind stärker vom Aussterben bedroht.
Mikroplastik aus Reifen
Zusätzlich zum CO₂-Ausstoss ist der Strassenverkehr für weitere Schäden am Ökosystem verantwortlich. Der Bremsverschleiss und vor allem der Abrieb von Reifen setzen zahlreiche Partikel frei, deren Schädlichkeit noch nicht vollständig erforscht ist. In der Schweiz ist der Reifenabrieb für 90 Prozent des Mikroplastiks in der Natur verantwortlich. Durch Wind und Regen gelangen die Partikel in Flüsse, Meere und Ozeane, wodurch auch Meerestiere nicht verschont bleiben. In Nordamerika hat man etwa in der Nähe von Hauptverkehrsstrassen festgestellt, dass die Silberlachsbestände dezimiert sind.
Lärmbelästigung: eine der schlimmsten Auswirkungen
Der Lärm des Autoverkehrs verhindert oft, dass Vögel miteinander kommunizieren können. Einige Arten passen sich an, indem sie höher singen oder schreien. Auch E-Autos ändern nichts daran: Bei Geschwindigkeiten von mehr als 30 Kilometern pro Stunde stammt der grösste Teil des Lärms vom Rollgeräusch der Reifen. Es entstehen sogenannte Strasseneinflusszonen, in denen die Arten in einem Umkreis von bis zu zwei Kilometern unter dem Lärm leiden. Die Auswirkungen des Autoverkehrs auf die Natur im Allgemeinen nehmen mit steigender Geschwindigkeit exponentiell zu.
Gesunde Ökosysteme sind die Grundlage für fruchtbare Böden, Nahrung, saubere Luft und Trinkwasser. Anstatt die Biodiversitätskrise durch den Autobahnausbau noch weiter zu verschlimmern, ist es an der Zeit, die nächste Ausfahrt zu nehmen, solange wir noch Zeit haben.