Die Zugstrecke zwischen Lausanne und Genf muss ausgebaut werden. Zwei Fachleute schlagen eine neue Linienführung vor, die Pendler:innen abholen könnte, die heute vom Auto abhängig sind.
Die Genfersee-Region ist dicht besiedelt und bietet zahlreiche Arbeitsplätze, die sich vor allem in den Stadtzentren von Lausanne und Genf befinden, in welche die Bewohner:innen der Randgebiete und der angrenzenden französischen Regionen pendeln. Die SBB-Strecke zwischen Lausanne und Genf ist bereits stark frequentiert, und die Zwischenfälle im «Loch von Tolochenaz» im Jahr 2021 und in Renens im Jahr 2023 zeigen, dass angesichts einer ebenso überlasteten wie störungsanfälligen Strecke ein zweite Linie geschaffen werden muss.
Während die SBB eine neue Strecke plant, die entlang der Autobahn verlaufen soll, haben Sébastien Munafò und Giuliano Montanaro ein Alternativprojekt ausgearbeitet. Es begnügt sich nicht damit, eine parallele Linie zur bereits bestehenden zu sein: Ziel ist es, die Zugstrecke durch schlecht erschlossene und daher noch stark vom Auto abhängige Gebiete zu führen.
Pendler:innen abholen
Neu an der Strecke wäre die Verbindung zwischen Genf und Nyon durch das Pays de Gex nördlich von Meyrin, wo heute viele Grenzgänger: innen die Strasse benutzen müssen, um ihre Arbeitsorte in der Schweiz zu erreichen. Auf der Lausanner Seite würde die Strecke den Bahnhof Lausanne mit den Hochschulen verbinden und dann über Préverenges nach Morges führen.
Das Potenzial für eine Verkehrsverlagerung ist vor allem auf kurzen Strecken – von der Peripherie in die städtischen Zentren – sehr gross. Ein Beispiel dafür ist der Léman Express, der seit 2019 in Betrieb ist und täglich 70 000 Menschen aus der Region Nyon und den Grenzgebieten ins Herz von Genf befördert.
Das Alternativprojekt erfüllt mehrere Mobilitätsbedürfnisse der Region auf einen Schlag: Es ermöglicht die nötige zweite Linie Lausanne– Genf – im Falle eines Zwischenfalls auf der bestehenden Strecke könnte die Verbindung zwischen diesen Städten damit aufrechterhalten werden –, den Ausbau der Genfer Nord-Süd- Achse und die Verlängerung des öffentlichen Verkehrs in den Westen und Süden von Lausanne.
Alternative zum Strassenausbau
Die Klimakrise verlangt von uns eine massive Verlagerung des Autoverkehrs auf andere Verkehrsträger. Denn während die Bahnfahrt Lausanne– Genf punkto Reisezeit und Bequemlichkeit mit dem Auto konkurrenzieren kann, ist das bei kleineren Strecken zwischen den beiden grossen Westschweizer Agglomerationen nicht der Fall. Die alternative Linie könnte diesen Be- dürfnissen gerecht werden. Denn wie Giuliano Montanaro, Co-Autor des Projekts, sagt: «Infrastrukturen zu bauen, ist gut, aber sie am richtigen Ort einzusetzen, ist noch besser.»
Sebastien Munafò ist Geograf und Leiter eines Mobilitätsplanungsbüros. Giuliano Montanaro ist Gründer eines Beratungsunternehmens, das sich auf Eisenbahntechnik spezialisiert hat.