National- und Ständerat haben beschlossen, insgesamt 14,1 Milliarden Franken in Autobahnen zu stecken, davon 5,3 Milliarden in mehrere Ausbauten. Alle Ausbauprojekte liegen in grösseren Städten oder in deren unmittelbarer Nähe: Bern, Basel, St. Gallen, Schaffhausen, Genf und Nyon. In den betroffenen Regionen formiert sich Widerstand.
Bern: «Spurwechsel» gegen Achtspur-Ausbau
Gegen die zwei geplanten Autobahnprojekte in der Region Bern organisiert der «Verein Spurwechsel» den Widerstand. Beim Ausbauprojekt Grauholz, Wankdorf und Schönbühl will der Nationalrat die A1 von sechs auf acht Spuren ausbauen. Zudem soll die A6 zwischen Schönbühl und Kirchberg von heute vier auf künftig sechs Fahrstreifen verbreitert werden. Bei diesen Vorhaben würden grosse Flächen Kulturland zubetoniert, Wald gerodet und zusätzlich das Hochmoor Heidmoos bei Hindelbank tangiert. Trotz des Neubaus oder der Erhöhung von Lärmschutzwänden auf bis zu sechs Meter würden bei angrenzenden Liegenschaften die zulässigen Lärmgrenzwerte überschritten. Auch die Stadt Bern, die Gemeinden Bolligen und Zollikofen sowie betroffene Bauern wehren sich gegen den Mehrverkehr und die Zerstörung von Feldern und Wiesen.
Schaffhausen: IG Fäsenstaub gegen Mehrverkehr auf Quartierstrassen
Die Nationalstrasse A4 soll zwischen Schaffhausen-Süd und Herblingen auf vier Spuren verbreitert werden. Dafür soll die Auffahrt SH-Nord (beim Güterbahnhof) aufgehoben werden, die heute täglich von 9100 Fahrzeugen genutzt
wird. Die Widerstand leistende «IG Fäsenstaub» befürchtet unter anderem, dass ein Grossteil dieser Fahrzeuge künftig via Altstadt oder über Quartierstrassen zu Ersatzanschlüssen umgeleitet wird und die Bauarbeiten wichtige Verbesserungen des Fuss- und des Veloverkehrs verzögern.
Wo die Schönberggalerie im Fulachtal heute einen gewissen Lärmschutz bietet, würde die Autobahn künftig auch oberhalb dieser Galerie und damit doppelstöckig ohne Überdachung verlaufen, was zu einer stärkeren Lärmbelastung
und schlechterer Luftqualität für die Anwohner*innen führt. Mit dem Ausbau der Schaffhauser Transitachse A81 nach Deutschland wird ausserdem ein Wachstum des grenzüberschreitenden Schwerverkehrs um gegen 50 Prozent bis 2040 erwartet.
Basel: Breite Allianz gegen Rheintunnel
Der Rheintunnel bei Basel besteht aus mehreren neuen Tunnelabschnitten zwischen Muttenz und Weil am Rhein. Das Kernstück bilden dabei zwei neue zweispurige, knapp vier Kilometer lange Tunnel, die den Rhein unterqueren und im Kleinbasel wieder an die Oberfläche kommen. Die Allianz «Nein zum Rheintunnel» und der Verein «Dreirosen bleibt – Rheintunnel Nein» kritisieren, dass es zu einer massiven Erhöhung der Autokapazität kommt, sodass die Quartiere zusätzlichem Autoverkehr ausgesetzt werden.
In den Gemeinden Birsfelden und Muttenz müssten während zehn Jahren 150 Familiengärten sowie der Birsfelder Sportplatz samt Sporthalle der riesigen Baustelle weichen. In Basel würde mit der Dreirosenanlage die beliebte und einzige Sport- und Grünanlage im dicht bebauten Matthäusquartier zur Riesenbaustelle und dauerhaft verkleinert – und das ohne Ersatz und nur rund 30 Jahre, nachdem sie schon für den Bau der Nordtangente zur Baustelle und verkleinert wurde.
St. Gallen: Verein gegen den Autobahnanschluss Güterbahnhof
Bei St. Gallen ist eine dritte, dreispurige Röhre des Rosenbergtunnels für den Verkehr Richtung St. Margrethen sowie ein Zubringer zum Güterbahnhof vorgesehen, mit dem der Autobahnverkehr direkt ins Stadtzentrum St. Gallen geführt würde. Der «Verein gegen den Autobahnanschluss Güterbahnhof» verlangt, dass auf den Zubringer Güterbahnhof inklusive Liebeggtunnel verzichtet wird, weil durch den Mehrverkehr und die hohe Trennwirkung sowie die Einschränkungen für den öffentlichen Verkehr, Velos und Fussgänger:innen gravierende Nachteile für die Entwicklung des zentral gelegenen Güterbahnhofareals entstünden.
Überraschungspaket Le Vengeron und Nyon
Der Ausbau auf sechs Spuren am Genfersee zwischen dem Genfer Vorort Le Vengeron und Nyon wurde in letzter Minute vom Nationalrat aus dem Hut gezaubert – wohl um der Gefahr vorzubeugen, dass die Ausbauprojekte, die sich
bis dahin auf die Deutschschweiz konzentriert hatten, bei der Abstimmung in der Romandie selbst von Strassenbefürworter:innen abgelehnt würden.
Zurzeit sind die Projektkosten auf knapp eine Milliarde Franken veranschlagt. Die konkreten Auswirkungen, der genaue Flächenbedarf, die Auswirkungen auf landwirtschaftliche Flächen, zusätzlicher Lärm und Luftverschmutzung sind noch nicht vollständig absehbar. Klar ist aber schon jetzt, dass der Ausbau noch mehr Verkehr direkt nach Genf leiten wird.
Das Referendum kommt
Um die Klimaziele zu erreichen, braucht es eine konsequente Verlagerung auf den Fuss- und den Veloverkehr sowie den öffentlichen Verkehr. Denn auch Elektroautos sind über den gesamten Lebenszyklus nicht klimaneutral. Mit der milliardenteuren Förderung des Autoverkehrs wird die notwendige Verlagerung auf klimafreundlichere Verkehrsformen verhindert.