Was wäre, wenn auf Schweizer Strassen nur noch Elektrofahrzeuge fahren würden? Was braucht es noch, damit wir die Verkehrswende schaffen?
Beitrag von Stefanie Conrad
Im Gegensatz zu Benzin- und Dieselfahrzeugen mit Verbrennungsmotor produzieren Elektroautos während der Nutzung keine direkten Emissionen. Für die Herstellung der Batterien werden jedoch Ressourcen benötigt – insbesondere seltene Metalle wie Lithium, Nickel und Kobalt, deren Abbau und Entsorgung aus Gesamtumweltsicht entscheidend sind.
Sind Elektroautos umweltfreundlicher als Verbrenner?
Heute ist oft vom Klima-Fussabdruck die Rede. Dieser bildet die Umweltauswirkungen von Treibhausgasemissionen ab, die aber nur eine von vielen Umweltwirkungen sind. Aus Gesamtumweltsicht kann dies zu Fehlschlüssen führen. Eine Methode, die ein umfassenderes Bild ergibt, ist der Umwelt-Fussabdruck. Dieser beurteilt neben den Treibhausgasemissionen zum Beispiel die verbrauchende Nutzung von Ressourcen und Land, radioaktive Abfälle, Wasserverschmutzung sowie krebserregende Stoffe in der Luft – um nur einige Umweltauswirkungen zu nennen, die während eines gesamten Lebenszyklus anfallen.
Wird der Umwelt-Fussabdruck eines mittelgrossen Dieselfahrzeugs mit dem eines mittelgrossen Elektroautos verglichen, dann erreicht das Elektroauto nach rund 150 000 Kilometern einen Umweltvorteil gegenüber dem Dieselfahrzeug. Anders gesagt: Werden mehr als 150 000 Kilometer gefahren, übersteigen die durch das Verbrennen der Kraftstoffe im Dieselauto entstehenden Umweltauswirkungen die Umweltauswirkungen einer ganzen Lebenszeit eines Elektroautos. Wird die Batterie mit Ökostrom geladen, wird der Vorteil bereits nach rund 100 000 Kilometern erreicht. Zum Vergleich: Wird nur der Klima-Fussabdruck berechnet, dann erreicht das Elektroauto bereits nach 35 000 bis 40 000 Kilometern einen Umweltvorteil gegenüber dem Dieselfahrzeug.
Der grösste Teil der Umweltauswirkungen fällt bei der Herstellung des Fahrzeugs und der Batterie sowie bei der Bereitstellung der Energie für den Betrieb an. Hier gilt: je grüner der Strom, desto tiefer die Emissionen. Es gilt aber auch: je grösser das Fahrzeug, umso höher die gesamten Umweltauswirkungen.
Zusammenfassend gilt: Ein Elektroauto ist umweltfreundlicher als ein Verbrenner, wenn es weiter als 100 000 bis 150 000 Kilometer gefahren wird. Unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Jahresmobilität einer Person in der Schweiz von etwa 12 000 Kilometern, liegt ein Elektroauto nach rund zehn Jahren gegenüber einem Dieselfahrzeug im Vorteil. Das Durchschnittsalter von Autos in der Schweiz liegt heute mit gut neun Jahren knapp darunter.
Vergleich: Diesel: Grösse: Mittel; Euro 6-d; Verbrauch: 4.9l/100km;
Elektro: Grösse: Mittel; Batteriekapazität: 46 kWh; Batterietyp: NMC; kein Batterieersatz während der gesamten Lebensdauer des Fahrzeugs; Verbrauch: 18 kWh/100 km; Strommix CH/Ökostrom
Gelingt die Verkehrswende, wenn alle Verbrenner durch Elektroautos ersetzt werden?
Leider ist es nicht so einfach. Würden heute alle 4,7 Millionen Personenwagen in der Schweiz elektrisch fahren, dann müssten wir mit einem jährlichen Energie-Mehrbedarf von etwa 15 bis 20 Prozent rechnen. Das entspricht knapp zehn Terawattstunden pro Jahr (Annahmen: Verbrauch Elektroauto: 18 kWh/100 km, 4.7 Mio. Elektroautos, 12'000 km /Jahr). Diese müssten aus erneuerbaren Energien gedeckt werden, ansonsten wäre eine Antriebswende, also ein Umstieg auf emissionsarme Antriebe wie Elektroautos, hinsichtlich Klimaschutz kontraproduktiv. Der Zubau an erneuerbaren Energien ist jedoch zu langsam, um diesen Mehrverbrauch abzudecken. Um die Verkehrswende zu schaffen, braucht es also eine Antriebswende kombiniert mit einer Mobilitätswende.
Die Mobilitätswende stellt die Veränderungen in unserem Mobilitätsverhalten dar. Sie richtet sich vor allem um das Vermeiden und Verlagern des Verkehrs. Vermeiden lässt sich Verkehr zum Beispiel durch eine Stärkung der lokalen Versorgung oder durch Arbeiten im Homeoffice. Reduziert werden muss vor allem der Autoverkehr. Autos verursachen nebst Umweltverschmutzungen auch Lärm, Unfälle und Staus, und sie benötigen sehr viel Platz. Die letzten Punkte gelten natürlich auch für Elektroautos. Aus diesen Gründen müssen wir den Autoverkehr insgesamt reduzieren und damit auch den weiteren Ausbau des Nationalstrassennetzes, wohingegen der umweltfreundlichere Fuss-, Velo- und öffentliche Verkehr weiter ausgebaut werden muss. Damit das passieren kann, ist eine Orientierung der schweizerischen Verkehrspolitik an klima- und gesellschaftspolitischen Zielen notwendig.
Die Freiheit des eigenen Autos versus die Freiheit der Gesellschaft
Eine Voraussetzung für die Mobilitätswende ist eine veränderte Haltung gegenüber dem eigenen Auto. Das eigene Auto wird oft noch als Symbol für Freiheit und Unabhängigkeit gesehen. Freiheit wird dabei als persönliche Freiheit verstanden, nicht aber als Freiheit der Gesellschaft, frei zu sein von Umweltverschmutzung, vom Klimawandel und von Unfallgefahren. Nachhaltige Mobilität erfordert einen Wandel auf mehreren Ebenen: vom Verhalten jeder einzelnen Person über technische Entwicklungen bis hin zu politischen Rahmenbedingungen, die dafür geschaffen werden müssen. Die Mobilitätswende führt nicht zu einer Einschränkung der Mobilität, sondern zu weniger Verkehr und einer besseren Qualität der Mobilität.
Stefanie Conrad ist Projektleiterin Nachhaltigkeits- und Umweltberatung bei Carbotech AG