Standpunkt
Jahrzehntelang haben Politiker und Planer die Städte autogerecht umgebaut. Seither verstellen Blechkisten den Menschen den Weg. Besonders betroffen sind Kinder, ältere oder mobilitätseingeschränkte Personen und Menschen, die unbezahlte Sorgearbeit leisten. Höchste Zeit, das zu ändern!
Im öffentlichen Raum äussert sich dieses Machtverhältnis in der Dominanz des Autos. Obwohl die meisten Menschen in Schweizer Städten kein Auto besitzen, besetzt der Autoverkehr rund 60 Prozent des Strassenraums. Innert kurzer Zeit wurden die Städte zwischen 1950 und 1970 «autogerecht» umgebaut. Seither können Kinder nicht mehr vor dem Haus auf der Strasse spielen, und der Schulweg wurde zur grossen Gefahr. Menschen mit Mobilitätseinschränkung müssen teilweise grosse Umwege auf sich nehmen, um die Strassen an den wenigen dafür vorgesehenen Orten mit Randsteinabsenkung zu queren. Die Grünphase bei Fussgängerampeln ist meist so knapp bemessen, dass die Strassenquerung für ältere Menschen zum Stress wird.
Neben den Einschränkungen für die direkt Betroffenen führt die autogerechte Stadt zu einem grossen Mehraufwand für jene Menschen, die Kinder betreuen oder sich um ältere oder mobilitätseingeschränkte Personen kümmern; weil zum Beispiel Kinder zum entfernten Spielplatz begleitet werden müssen oder der Ausflug mit älteren Personen an einen gemütlichen Ort weiter weg führt. Mehrheitlich sind es Frauen, die diesen Mehraufwand leisten, und fast immer tun sie das unbezahlt.
Wie sieht die Lösung aus? «Mobilität muss unabhängig von Geschlecht, Einkommen oder Hautfarbe sicher, bezahlbar, barrierefrei sowie umweltfreundlich sein», fasst Janna Aljets in der Zeitschrift «Luxemburg» ein zentrales Kriterium der feministischen Verkehrswende zusammen. Zudem müssten Wege und Räume, die für die Sorgearbeit notwendig sind, in den Fokus rücken. Im Vordergrund stehen deshalb kollektive Verkehrsmittel, Fuss- und Veloverkehr und die Schaffung lebenswerter öffentlicher Begegnungsräume. Der Autoverkehr passt hingegen sehr schlecht dazu.
Es geht deshalb nicht nur um mehr Velowege, barrierefreie ÖV-Haltestellen und begrünte Begegnungszonen. Es geht darum, den Autofahrenden Platz wegzunehmen und den Raum umzuverteilen. Es gilt, den über Jahrzehnte eintrainierten Autofokus zu überwinden und zurückzuweisen, was von vielen Autobesitzenden als Selbstverständlichkeit verstanden wird: einen subventionierten Autoabstellplatz vor der Haustüre und die Erreichbarkeit aller Orte mit dem Privatauto.
Eine gerechte und klimaverträgliche Stadt ist eine autoarme Stadt, welche die Menschen ins Zentrum rückt. Damit uns das gelingt, brauchen wir breite Allianzen. Klimaschutz, Feminismus und Verkehrswende gehören zusammen.