Von Sarah Käser
In den 1990er-Jahren entstand in der Schweiz eine breite feministische Stadtplanungskritik, die sich gegen die «männerdominierte» Verkehrsplanung wehrte und die Berücksichtigung anderer Mobilitätsmuster und Ansprüche von Frauen forderte.
Neben der schweizweiten Organisation bildeten sich in den 1990er-Jahren auch auf regionaler Ebene weitere Vereine oder Gruppen, die sich mit feministischer Architektur und Planung auseinandersetzten. In Bern war es beispielsweise die «Arbeitsgruppe Berner Planerinnen und Architektinnen» (ABAP), in Basel die Gruppe «Freiräume für Frauen» und in Zürich die «Frauenlobby Städtebau».
Gesunde, mobile Männer im Erwerbsalter
Der Verein «Planung, Architektur und Frauen» schloss sich dem allgemeinen Tenor der feministischen Stadtplanungskritik an, die ab den 1980er-Jahren in den USA und Europa aufkam. Die P, A, F. bezeichnete die Verkehrsplanung als androzentrisch, da sie sich am Bild des erwerbstätigen Mannes orientiere. 1995 schrieb sie: «Wie in vielen anderen Lebensbereichen wächst auch im Gebiet von Architektur und Planung die Erkenntnis, dass diese mehrheitlich von Männern gemacht wird. Und zwar von gesunden, mobilen Männern im Erwerbsalter! Die Vermutung, dass etwa zwei Drittel der Bevölkerung andere Ansprüche haben, macht sich vor allem unter Frauen breit.» Die Aktivistinnen sahen sich einem von Männern dominierten Planungsumfeld gegenüber und wollten als Planerinnen und Architektinnen die spezifisch «weiblichen» Bedürfnisse in der (Verkehrs-) Planung vertreten.
Komplexere Wegketten
Der Verein wies beispielsweise darauf hin, dass Frauen andere Wege zurücklegen als Männer. Da sie häufiger für die Kinderbetreuung und den Einkauf zuständig waren, pendelten Frauen nicht nur von Zuhause ins Büro, sondern von Zuhause zur Kita, zum Einkauf, nach Hause und wieder zur Kita. Die Fahrpläne des öffentlichen Verkehrs seien nicht auf ein solches Mobilitätsmuster ausgelegt, und Frauen hätten weniger oft Zugang zu Autos. Mehr Mitbestimmung in der Planung! Neben dieser baulichen und planerischen Kritik übte die P, A, F. auch Kritik auf struktureller Ebene. In der (Verkehrs-)Planung und Architektur forderte sie eine höhere Frauenvertretung in den Büros und politischen Gremien sowie in der Aus- und Weiterbildung. Die Untervertretung der Frauen in diesen Berufsfeldern zu bekämpfen, war ein Hauptanliegen der P, A, F. Fazit In der Schweiz waren die Mitglieder der P,A,F. mit ihren Anliegen Pionierinnen. Viele Forderungen der P, A, F., etwa die Förderung der Nutzungsdurchmischung (gemischte Zonen mit Wohnen, Gewerbe und Betreuungsangeboten) fanden Einzug in die allgemeine Planungspraxis. Dennoch bleibt die zentrale Frage, für wen eine Stadt und deren Strassenraum gebaut werden, weshalb sich auch diese umverkehR-Ausgabe dem Thema widmet.