Postwachstum Mobilität
1. Mehr Mobilität mit weniger Verkehr
Beitrag zum Jahrbuch 2021 des Denknetz. Das Buch gibt einen Überblick über die aktuelle Debatte rund um den Begriff «Postwachstum». Neben analytisch und theoretisch ausgerichteten Artikeln versammelt es Beiträge, die sich konkreter der Gestaltung des sozial-ökologischen Wandels widmen.
Während das Auto zu Beginn mehr Freiheit versprach und Distanzen vermeintlich verkürzte, veränderte es unsere Siedlungsstruktur in wenigen Jahrzehnten in einem unglaublichen Ausmass. Mit den Einkaufszentren in der Agglomeration wurde das Dorflädeli in Fussgängerdistanz überflüssig. Das Gemüse war ohnehin weniger frisch und teurer. Ausserdem war die Auswahl kleiner. Aber mit dem Dorflädeli und der Bäckerei, der Metzgerei und der Molkerei verschwanden auch der Zusammenhalt im Dorf und Arbeitsplätze. Während die Fahrt zum Einkaufszentrum anfangs noch eine willkommene Abwechslung war, wurde sie nun zum alternativlosen Alltag. Aber wurden wir dadurch mobiler?
Maloja im Winter: anderer Ort, gleiches Szenario. Durch die Enge Ortsdurchfahrt drängen die Autos aus dem Bergell. Von Chiavenna und Mailand kommen die Touristinnen für einen Tagesausflug ins Engadin. Neben der Strasse mit Tempo 50 fehlt ein durchgängiges Trottoir. Man will sich die Kinder auf dem Schulweg nicht vorstellen müssen. Gleichzeitig mit dem Aussterben des Dorflebens wurde das Ortszentrum in vielen Gemeinden zur Durchfahrtsstrasse degradiert. Lärm, Abgase und viele schnelle Autos verdrängen die Bevölkerung aus dem öffentlichen Raum. Zu Fuss unterwegs sein wird ungemütlich. Für Velostreifen fehlt der Platz und auf der Strasse ist es zu gefährlich. Wer noch kein eigenes Auto hat, legt sich möglichst rasch auch eines zu. Weil das Postauto ab 19 Uhr nur noch auf Abruf fährt und eine Verbindung pro Stunde zu stark einschränkt. Zurück bleiben eine triste Schnellstrasse durch ein zunehmend anonymes Dorf und die Kinder und alten Menschen, die nicht oder nicht mehr Autofahren können. Ist das der vielgelobte Fortschritt der Technologie?
ARE – Bundesamt für Raumentwicklung (2021): Externe Kosten und Nutzen des Verkehrs in der Schweiz Strassen-, Schienen-, Luft- und Schiffsverkehr 2018, Link
BAFU – Bundesamt für Umwelt (2021): Emissionen von Treibhausgasen nach CO₂-Gesetz und Kyoto-Protokoll, 2. Verpflichtungsperiode (2013–2020), Link
BFE – Bundesamt für Energie (2021a): Deutlicher Rückgang von Treibstoffverbrauch und CO₂-Emissionen neuer Personenwagen im Jahr 2020, Link
BFE – Bundesamt für Energie (2021b), Pressemitteilung, 31.8.2021, Link
BFS – Bundesamt für Statistik (2020a), Verkehrsleistungen im Personenverkehr, T 11.4.1.2, Link
BFS – Bundesamt für Statistik (2020b): Infrastruktur und Streckenlänge, Link
BFS – Bundesamt für Statistik (2021): Fahrzeuge, Link
BFS – Bundesamt für Statistik/ARE –Bundesamt für Raumentwicklung (2017): Verkehrsverhalten der Bevölkerung, Ergebnisse des Mikrozensus Mobilität und Verkehr 2015, Link
NZZ – Neue Zürcher Zeitung (2010): Auf 150 Metern finden 1700 Passagiere Platz, 3.6.2010, Link
Scharrer, M. (2018): So plant Zürich für die nächsten 100 000 Einwohner, in: Limmattalerzeitung, 20.9.2018, Link
Städtevergleich Mobilität (2017): Vergleichende Betrachtung der Städte Basel, Bern, Luzern, St. Gallen, Winterthur und Zürich im Jahr 2015, Link
Stalder, H. (2018): Milliarden gegen den Verkehrskollaps, in: Neue Zürcher Zeitung, 14.9.2018, Link
Swiss E-Mobility (2021): Szenario 2035: Marktdurchdringung für Steckerfahrzeuge (PEV) in der Schweiz, Juli 2021, Link
Tagesanzeiger (2018): So viel kosten Staus auf Schweizer Strassen, 8.8.2018, Link
UVEK – Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (2017): CO₂-Emissionsvorschriften für Personenwagen und leichte Nutzfahrzeuge Grundlagenbericht, 23.2.2017, Link
Wagner, M. (2020): Paris baut 70 000 Parkplätze ab, SRF, 28.10.2020, Link