Postwachstum Mobilität
5. Unterschicht bezahlt für die freie Fahrt der Oberschicht
Dazu kommt, dass die Lenkenden der mittlerweile über 4,7 Millionen in der Schweiz zugelassenen Personenwagen (BFS 2021) an ihren bequemen Privilegien festhalten und politische Veränderungen vehement bekämpfen. Wer einmal in einer Gemeinde über einen Parkplatzabbau gestritten hat, weiss wovon die Rede ist. Flankiert durch starke Lobbyverbände wurde so eine ambitionierte Klimapolitik auf nationaler Ebene verhindert. Massnahmen wie die Lenkungsabgabe auf Treibstoffe sind bislang politisch nicht mehrheitsfähig, wie die Abstimmung vom 13. Juni 2021 über das CO₂-Gesetz eindrücklich gezeigt hat.
Dies führt in die Sackgasse. Denn der Autoverkehr verursacht enorm hohe Kosten. Das Bundesamt für Raumentwicklung weist die externen Kosten des Verkehrs in regelmässigen Abständen aus. Die letzten Zahlen von 2018 beziffern die externen Kosten des privaten motorisierten Verkehrs auf knapp zehn Milliarden – pro Jahr (ARE 2021)! Sie sind für 71 Prozent der externen Kosten des Verkehrs verantwortlich.
Konkret bedeutet dies, dass die Allgemeinheit wegen des Autoverkehrs jedes Jahr knapp zehn Milliarden bezahlt. Diese Kosten werden nicht von den Verursachenden getragen. Es handelt sich dabei um Gesundheitskosten wegen Lärm oder Luftverschmutzung, um Klimafolge- oder Unfallkosten. Die Statistik ist eindeutig: Personen mit hohen Einkommen besitzen mehr Autos und fahren mehr Kilometer (BFS/ARE 2017: 13, G 2.1.2.5 u. 56, G 3.5.3.1). In der Konsequenz heisst dies, dass Personen mit tiefen Einkommen die freie Fahrt der Oberschicht bezahlen. Wer es sich leisten kann, vermeidet es, an stark befahrenen Strassen zu leben. Wer es sich nicht leisten kann, hat kein Auto. Fazit: Wer an Hochleistungsstrassen lebt und täglich Lärm, Abgasen und Feinstaub ausgesetzt ist, hat häufig selbst kein Auto, muss die gesundheitlichen Konsequenzen aber selbst berappen
ARE – Bundesamt für Raumentwicklung (2021): Externe Kosten und Nutzen des Verkehrs in der Schweiz Strassen-, Schienen-, Luft- und Schiffsverkehr 2018, Link
BAFU – Bundesamt für Umwelt (2021): Emissionen von Treibhausgasen nach CO₂-Gesetz und Kyoto-Protokoll, 2. Verpflichtungsperiode (2013–2020), Link
BFE – Bundesamt für Energie (2021a): Deutlicher Rückgang von Treibstoffverbrauch und CO₂-Emissionen neuer Personenwagen im Jahr 2020, Link
BFE – Bundesamt für Energie (2021b), Pressemitteilung, 31.8.2021, Link
BFS – Bundesamt für Statistik (2020a), Verkehrsleistungen im Personenverkehr, T 11.4.1.2, Link
BFS – Bundesamt für Statistik (2020b): Infrastruktur und Streckenlänge, Link
BFS – Bundesamt für Statistik (2021): Fahrzeuge, Link
BFS – Bundesamt für Statistik/ARE –Bundesamt für Raumentwicklung (2017): Verkehrsverhalten der Bevölkerung, Ergebnisse des Mikrozensus Mobilität und Verkehr 2015, Link
NZZ – Neue Zürcher Zeitung (2010): Auf 150 Metern finden 1700 Passagiere Platz, 3.6.2010, Link
Scharrer, M. (2018): So plant Zürich für die nächsten 100 000 Einwohner, in: Limmattalerzeitung, 20.9.2018, Link
Städtevergleich Mobilität (2017): Vergleichende Betrachtung der Städte Basel, Bern, Luzern, St. Gallen, Winterthur und Zürich im Jahr 2015, Link
Stalder, H. (2018): Milliarden gegen den Verkehrskollaps, in: Neue Zürcher Zeitung, 14.9.2018, Link
Swiss E-Mobility (2021): Szenario 2035: Marktdurchdringung für Steckerfahrzeuge (PEV) in der Schweiz, Juli 2021, Link
Tagesanzeiger (2018): So viel kosten Staus auf Schweizer Strassen, 8.8.2018, Link
UVEK – Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (2017): CO₂-Emissionsvorschriften für Personenwagen und leichte Nutzfahrzeuge Grundlagenbericht, 23.2.2017, Link
Wagner, M. (2020): Paris baut 70 000 Parkplätze ab, SRF, 28.10.2020, Link