Das Züricher Bezirksgericht hat gestern zwei Aktivisten von umverkehR – darunter auch der Geschäftsleiter Silas Hobi – wegen Widerhandlung gegen die Covid-19 Verordnung 2 verurteilt. Damit ist das Gericht dem Urteil vom März gegen eine weitere Aktivistin von umverkehR gefolgt. umverkehR ist enttäuscht über den Entscheid, nachdem das Bundesgericht erst Anfang Monat in einem wegweisenden Urteil die Bedeutung der Versammlungsfreiheit gerade in Krisenzeiten betont hat.
Folgendes Plädoyer hat Silas Hobi (Geschäftsleiter von umverkehR) vor Gericht vorgetragen, um die Ausgangslage, die Motivation und das Wesen der Aktion zu erläutern und seinen Freispruch zu begründen.
Es freut mich, dass ich Gelegenheit erhalte, das Wesen der Aktion im Detail zu schildern.
Als erstes möchte ich nochmals betonen, welches Anliegen wir mit der Aktion verfolgt haben:
Unser Anliegen war der Schutz der Bevölkerung vor Corona. Gegen Ende des Lockdowns ist der Veloverkehr sprunghaft angestiegen, weil auf dem Velo die Abstandsregel besser eingehalten werden konnte als im ÖV. Genf, Lausanne, Wien, Berlin, Paris, Mailand, New York, Bogota und viele weitere Städte auf der ganzen Welt haben darum temporär mehr Platz fürs Velo geschaffen. Damit stellten sie sicher, dass die ÖV-Passagiere nicht auf das Auto umsteigen, was die Luftverschmutzung erhöht und damit auch das Risiko von Covid-Infektionen bzw. schweren Krankheitsverläufen gesteigert hätte. Mit unserer Aktion wollten wir auch Deutschschweizer Städte dazu bewegen, temporäre Velowege einzurichten.
Weisst du nicht, um welche Aktion es sich handelt? Dann kannst du auf das Bild unten klicken...
Damit sind wir beim zweiten wichtigen Anliegen – dem Klimaschutz. Wir setzen uns für einen klimafreundlichen Verkehr ein. Das Velo emittiert kein CO2, verursacht keinen Lärm und keine Luftverschmutzung und verbraucht keine Energie und sehr wenig Platz. Aus Gründen des Umweltschutzes möchten wir, dass der Veloverkehr gefördert wird.
Soviel zur Ausgangslage, unserer Motivation und dem Grund für die Aktion.
Nun möchte ich mich gerne noch im Detail zu unseren Schutzbemühungen im Rahmen der Aktion äussern.
Zum damaligen Zeitpunkt galt die sogenannte 5 Personen Regel. Deshalb haben wir darauf geachtet, dass wir nur 5 Personen waren. Eine Person gab den Medien Auskunft, zwei Personen hielten ein Banner mit der Aufschrift «nur für Velos» in die Höhe, eine Person verteilte die Signalisationskegel zum Abtrennen der Fahrbahn und eine Person sprayte die Velosymbole mit Kreidespray auf die Strasse. Sogar die Polizeit hat in einem Brief vom 22. März zur Einstellung des Verfahrens eines unbeteiligten Passanten erwähnt (Zitat): «Die Polizei traf vor Ort lediglich auf fünf Personen». Diese fünf Personen haben ausserdem den damals geltenden Mindestabstand von 2 Metern zu jedem Zeitpunkt eingehalten. Ich bin deshalb überzeugt, dass unsere Aktion nicht gegen die zu diesem Zeitpunkt geltende Covid-19 Verordnung 2 verstossen hat.
Es kann nicht Sinn der Covid-Verordnung sein, Leute zu bestrafen, die sich unter Einhaltung der geltenden Schutzbestimmungen für wirkungsvollere Massnahmen zur Pandemiebekämpfung einsetzen.
Wir haben uns aber noch darüber hinaus bemüht. So haben wir Schutzmasken getragen, obwohl es damals noch keine Maskenpflicht gab. Ausserdem haben wir darauf geachtet, dass wir den Autoverkehr nicht zu stark behindern. Einerseits haben wir einen Zeitpunkt ausserhalb der Stosszeiten gewählt, andererseits haben wir einen Standort gewählt mit einer stets befahrbaren zweiten Spur. Somit konnte der Autoverkehr auf einer Spur während der Aktion ungehindert fliessen. Die Sicherheit aller Beteiligten wurde jederzeit gewährleistet und mit den Leuchtwesten und den Signalisationskegeln konnten die Autos unkompliziert auf die andere Spur umgelenkt werden.
Die Aktion war ausserdem von Beginn weg nur für eine kurze Dauer geplant. Bereits nach zwanzig Minuten waren beide Spuren wieder normal befahrbar. Als die Polizei eintraf, war die Strasse bereits wieder frei.
Gerne möchte ich noch auf zwei Dinge eingehen, welche m.E. bisher in der öffentlichen Berichterstattung falsch wiedergegeben wurden.
So haben verschiedene grössere Tageszeitungen und auch Onlineportale im März von einer Velodemo geschrieben. Eine Velodemo ist aber etwas ganz anderes. Erstens wird dafür öffentlich und im Voraus breit aufgerufen. Das haben wir nicht getan. Zweitens gibt es eine definierte Route und man bewegt sich von einem Ort an einen anderen auf dem Velo. Das war bei unserer Aktion nicht der Fall. Wir waren lediglich, die oben erwähnten fünf Personen, welche symbolisch einen temporären Veloweg erstellt haben. Velofahrerinnen und Velofahrer, welche sich spontan darüber gefreut und diesen befahren haben, hatten nichts mit uns zu tun.
Ausserdem wurde über Sprayereien berichtet, was nach Sachbeschädigung tönt. Deshalb möchte ich klarstellen, dass wir uns ganz bewusst für Kreidespray entschieden haben. Dieser wird beim ersten Regenfall oder mit wenig Wasser wieder entfernt. Von Sachbeschädigung kann keine Rede sein.
Ich bin deshalb überzeugt, dass wir uns gesetzeskonform verhalten haben und es sich bei unserer Aktion lediglich um eine Bagatelle handelt.
Abschliessend möchte ich nochmals betonen, dass es bei unserer Aktion um eine Verbesserung der Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus ging. Es kann nicht Sinn der Covid-Verordnung sein, Leute zu bestrafen, die sich unter Einhaltung der geltenden Schutzbestimmungen für wirkungsvollere Massnahmen zur Pandemiebekämpfung einsetzen.
Nachdem kürzlich das Bundesgericht entschieden hat, dass das Grundrecht der Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit auch während einer Pandemie gewährleistet werden muss, bin ich zuversichtlich, dass ich freigesprochen werde.
Bezüglich der juristischen Argumente verweise ich ausserdem auf die eingereichten Dokumente.