Haben Bäume und Grünflächen einen entscheidenden Einfluss im Kampf gegen sommerliche Hitzeinseln? Wie kann man den Bäumen wieder genügend Platz in den Städten einräumen?
Interview mit Mathieu Pochon, dipl. Umweltingenieur ETHL
Andrea von Maltitz: Herr Pochon, der Klimawandel zwingt die Städte, sich anzupassen. Welche Rolle spielen dabei Bäume oder andere Gewächse?
Pflanzen weisen viele Vorteile auf. Wichtig sind sie als «Klimaanlage». Eine vor Kurzem erschienene EMPA-Studie über einen versiegelten Platz in Zürich hat aufgezeigt, dass Bäume die umgebende Luft um zwei bis vier Grad kühlen können. Grünflächen tragen auch zur Versickerung des Regenwassers bei – ein wesentlicher Punkt angesichts der neuen Klima- und Niederschlagsgegebenheiten. Die Stadt Paris hat daher einen Plan «Regen-Paris» angenommen, mit Abwasserzonen. Nicht vergessen gehen sollten auch die Vorteile für die biologische Vielfalt, die Schadstofffilterung, die Förderung der menschlichen Gesundheit und sogar die Lebensmittelproduktion!
Der öffentliche Raum dient vielen verschiedenen Zwecken. Gibt es da noch Platz für neue Bäume?
Die Begrünung spielt auch eine Rolle im öffentlichen Raum, beispielsweise bei der Verkehrsberuhigung. Ein Stadtbaum benötigt im Idealfall 15 Quadratmeter Boden bei einer Tiefe von 1,5 Metern, was einen rechten Umfang darstellt. Doch die Begrünung umfasst zum Glück nicht nur Bäume. Eine enge Strasse kann auch begrünte Hauswände oder Kleinstblumenflächen beherbergen, wie auf einigen Strassen in Lyon. Dort durften die Anwohnerinnen und Anwohner die Trottoirs nach eigener Lust und Laune begrünen. Im Dorf Chédigny schmücken Rosenstöcke die Strassenränder und rufen die Autofahrenden zum Langsamfahren auf.
Von welchen gelungenen begrünten öffentlichen Räumen können wir uns inspirieren lassen?
Der Beispiele gibt es viele. Mir persönlich hat es das Altstadtquartier «Viertel» in Bremen angetan, wo die Vorgärten entlang der Strassenfront durch Pflanzen belebt werden. Die Umgestaltung von Strassen sind nicht zu verpassende Gelegenheiten. In Lyon wurde aus der Rue Garibaldi, einer früheren «Stadtautobahn», eine Allee mit zahlreichen Bäumen und anderen Pflanzen sowie grosszügigen Flächen für Fuss- und Veloverkehr. Ein Teil der früheren Fahrbahn wurde in einen Regenwassersammler umgewandelt, um damit die Pflanzen zu bewässern. In Bordeaux gaben die Anwohnerinnen und Anwohner der Rue Paul Camelle den Anstoss zur Umgestaltung einer sterilen, mit Parkplätzen vollgepflasterten Strasse in eine Gartenstrasse. Eine Begrünung kann auch kostengünstig durchgeführt werden. In Lausanne hat die Stadt letzten Sommer mit einem partizipativen Ansatz den entsiegelten Raum auf dem Place du Vallon von den Anwohnenden begrünen lassen. Die Baustelle wurde zu einer zeitweiligen Begegnungsund Festzone. Eine spannende Möglichkeit, etappenweise vorzugehen und die Bevölkerung einzubeziehen!
Welche Faktoren tragen zum Erfolg bei?
Um erfolgreich zu sein, braucht es eine koordinierte strategische Planung, wie etwa mit den Plänen für ein Kronendach – so in Lyon und Montreal – oder mit einer Begrünungsstrategie wie in Genf. Der Unterboden stellt das grösste Problem dar, denn die technischen Leitungen (Strom, Wasser, Gas etc.) lassen meist nur wenig Platz für Baumwurzeln. Bei den Wettbewerben für öffentliche Räume sind die grosszügig skizzierten Kronen nur realistisch, falls im Untergrund genügend Platz vorhanden ist. Der Erfolg hängt somit von einer guten Kenntnis des Unterbodens und von einer guten Zusammenarbeit aller Planungsfachleute ab – und zwar vor dem ersten Spatenstich!