Exakt zehn Jahre nach dem ersten Abstimmungserfolg der Städte-Initiative in St. Gallen lanciert umverkehR diesen Frühling die «Stadtklima-Initiativen» in mehreren Städten. Konkret soll während zehn Jahren jährlich ein Prozent der Strassenfläche in Grünräume beziehungsweise in Flächen für den Fuss- und den Veloverkehr sowie den öffentlichen Verkehr umgewandelt werden. Damit leisten die Stadtklima-Initiativen einen Beitrag zu mehr Klimaschutz und der Anpassung unserer Städte an den Klimawandel.
Der Entscheid an der ausserordentlichen Vollversammlung von umverkehR im Herbst 2019 fiel einstimmig aus: 2020 sollen in mehreren Schweizer Städten die Stadtklima-Initiativen lanciert werden. Dabei handelt es sich um zwei Initiativen: Die «Initiative für eine zukunftsfähige Mobilität» («Zukunfts-Initiative») will Strassenfläche zu Fuss- und Veloflächen sowie Flächen für den öffentlichen Verkehr umwandeln. Die «Initiative für ein gesundes Stadtklima» («Gute-Luft-Initiative») will Strassenfläche zu Grünflächen mit Bäumen umwandeln. Damit leisten die Initiativen einerseits einen Beitrag zu mehr Klimaschutz und andererseits zu der Anpassung unserer Städte an den Klimawandel.
Für eine klimafreundliche Mobilität
Das ist dringend nötig. Denn der Verkehr, und insbesondere der Autoverkehr, ist nach wie vor der grösste CO2-Emittent der Schweiz. Während die Treibhausgasemissionen in den Sektoren Industrie und Haushalte sinken und somit auf Zielkurs sind, stagnieren sie beim Verkehr. Gemäss aktuellem CO2-Gesetz sind die CO2-Emissionen bis 2020 gegenüber 1990 um 20 Prozent zu reduzieren. Dieses Ziel wird voraussichtlich wegen des Verkehrs verfehlt, wobei der Autoverkehr für rund zwei Drittel der Emissionen verantwortlich ist. Der ÖV verbraucht pro Passagierkilometer rund fünfmal weniger Energie als der motori-sierte Individualverkehr (MIV). Weil Tram, Trolleybus und Zug mit erneuerbarem Strom angetrieben werden können, sind die Treibhausgasemissionen des ÖV praktisch vernachlässigbar. Hier setzt unsere Zukunfts-Initiative an, indem sie Fussgängerinnen, Velofahrenden und ÖV-Passagieren mehr Platz einräumt.
Grünräume statt Asphaltwüsten
Leider ist die Klimaerwärmung bereits dermassen fortgeschritten, dass Klimaschutz allein nicht mehr ausreicht. Wir müssen uns bereits mit den Folgen der Klimakatastrophe auseinandersetzen. So zeigen Modellrechnungen von MeteoSchweiz, dass Hitzewellen, wie sie heute nur ungefähr alle zehn Jahre auftreten, schon bald jedes Jahr vor-kommen können. Nach den Hitzesommern von 2003 und 2015 erlebte das Land 2018 erneut einen speziell heissen Sommer – und auch der Sommer 2019 hat wieder Hitzewellen gebracht. Die Sommerhitze ist für die Bevölkerung eine gesundheitliche Belastung. Das Sterberisiko steigt während Hitzewellen markant an. Während gemäss Bundesamt für Umwelt (BAFU) 2003 von Juni bis August 1000 Personen mehr starben als im gleichen Zeitraum in früheren Jahren, waren es 2015 schätzungsweise 800 Todesfälle mehr. In Städten ist die Hitzebelastung besonders gross und wird in den kommenden Jahren noch massiv zunehmen. So schreibt das BAFU denn auch: «Mittel- und langfristig müssen Städte und Agglomerationen so gestaltet werden, dass sie auch bei zunehmender Sommerhit-ze eine angenehme Aufenthalts- und Wohnqualität bieten.» Mit unserer Gute-Luft-Initiative möchten wir genau dies erreichen, indem wir die Asphaltwüsten reduzieren und mehr Platz für Grünräume und Bäume schaffen.
Lebenswertere Städte
Konkret sollen die beiden Stadtklima-Initiativen während zehn Jahren jährlich ein Prozent der Strassenfläche umwandeln. Was nach wenig tönt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als eine Herausforderung. Die Strassenfläche von Basel-Stadt beträgt beispielswei-se rund 450 Hektaren. In zehn Jahren müssen also bei Annahme beider Initiativen 45 Hektaren der Strassenfläche umgewandelt werden, ohne den Fuss-, den Velo- oder den öffentlichen Ver-kehr einzuschränken. Wie viel das ist, zeigt beispielsweise der Vergleich mit der Fläche aller öffentlichen Strassenparkplätze. Diese beträgt knapp 30 Hektaren. Auch in der Stadt Zürich ist die umzuwandelnde Fläche nicht zu unterschätzen. Die Stadt plant bis 2040 zusätzliche Parkanlagen in der Grössenordnung von 40 Hektaren. Bei Annahme der «Gute-Luft-Initiative» müssen innerhalb von zehn Jahren zusätzlich 55 Hektaren Strassenflächen in Grünflächen umgewandelt werden. Diese Zahlen zeigen die Sprengkraft der Stadtklima-Initiativen auf. Die An-nahme beider Initiativen wird das Stadtbild in wenigen Jahren stark verändern. Die Qualität des Aufenthalts im Stras-senraum wird durch mehr Grünflächen und mehr Bäume deutlich gesteigert, und das Stadtklima und die Luftqualität werden verbessert. Kurz: Unsere Initiativen machen die Städte lebenswerter!
Günstiger Zeitpunkt
umverkehR ist zurzeit mit Partner-organisationen in Basel, Bern, Genf, Luzern, St. Gallen, Winterthur und Zürich in Kontakt, um die Initiativen breit abgestützt zu lancieren. Der Zeitpunkt ist günstig, weil die Ziele der Städte-Initiative in den meisten Städten auf zehn Jahre befristet waren und Ende 2020 auslaufen. Mit den Stadtklima-Initiativen möchten wir noch einen Schritt weiter gehen und konkrete Verbesserungen im Strassenraum einfordern.