Es ist wohl unbestritten, dass der CO2-Ausstoss in der Schweiz massiv gesenkt werden muss. Zweckmässig geschieht dies in dem Bereich, der den grössten Anteil hat: beim Strassenerkehr. Aber statt Massnahmen zur Einschränkung des motorisierten Individualverkehrs (MIV) umzusetzen, werden allerorts neue Strassen geplant. Ein Moratorium für den Bau von Hochleistungsstrassen würde nicht nur klimapolitisch, sondern auch raumplanerisch helfen, die Zukunft aufzugleisen.
Eigentlich wissen es alle: Wenn der CO2-Ausstoss in der Schweiz markant abnehmen soll, dann muss zwingend bei den Hauptverursachern angesetzt werden, und dazu gehört der Strassenverkehr, der – ohne Flugverkehr – für einen Drittel der Emissionen verantwortlich ist. Die erfolgreichen Städte-Initiativen von umverkehR zeigen, dass zumindest in den grossen Kernstädten entsprechende Bestrebungen auf fruchtbaren Boden fallen.
Drohende Strassenbaulawine
Da eine Reduktion des Autoverkehrs politisch schwer durchsetzbar ist, wäre es ein sinnvoller Ansatz, das Wachstum wenigstens abzufedern. Leider sieht es aber gar nicht danach aus. Nach der Zustimmung der Stimmbevölkerung am 12. Februar 2017 zur NAF-Vorlage (Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs- Fonds) wurde nicht nur die Finanzierung der Nationalstrassen gesichert, es gingen auch 400 Kilometer Strassen neu in die Obhut des Bundes über. Darin enthalten sind beispielsweise die Bodensee- Thurtalstrasse im Thurgau (Kosten: 1750 Mio. Fr.) oder die Umfahrung Näfels im Kanton Glarus (Kosten: 450 Mio. Fr.). Beides sind Projekte, die die fi nanziellen Möglichkeiten der Kantone bei Weitem überforderten und entsprechend von den kantonalen Stimmbevölkerungen auch mehrmals abgelehnt wurden. Wegen des NAF wird nun aber die Kostenbremse beim Strassenbau wirkungslos.
Engpassbeseitigung konkurrenziert ÖV
In unserem Verständnis verbindet eine Nationalstrasse wie die A1 beispielsweise St. Gallen mit Genf. Das ist aber eigentlich falsch. Denn die Autobahnen werden vor allem vom Regional- und Lokalverkehr benutzt. Entsprechend fi nden sich die grossen Staus auch in den Agglomerationen. Und diese Engpässe sollen beseitigt werden. Für die grossen Personenströme im Agglomerationsverkehr ist eine S-Bahn sehr viel effi zienter, da sie nicht nur weniger Emissionen verursacht, sondern auch viel weniger Platz beansprucht. Wenn die Verdichtung der Siedlungsgebiete ein ernsthaftes Anliegen ist, dann kommt man um die Verlagerung des MIV auf den ÖV nicht herum.
In den grossen Städten sinkt seit Jahren der Motorisierungsgrad, und immer weniger Junge machen den Führerschein. Das sind eigentlich erfreuliche Entwicklungen, die durch den Ausbau der Autobahnen nicht torpediert werden sollten.
Gemüse statt Pommes-Chips
Wenn man will, dass ein Kind mehr Gemüse isst, darf man nicht die Pommes- Chips-Tüte neben den Teller stellen. Und wenn auf Bahn und Bus umgestiegen werden soll, dann darf die Strassenkapazität nicht erhöht werden. Denn ein besseres Angebot an Strassen schafft automatisch Mehrverkehr. Wenn man diesen Mechanismus nicht weiter ankurbeln will, ist der logische Schluss ein Strassenbau-Moratorium. Verkehrsinfrastrukturen werden für die Zukunft gebaut. Und wenn zur Erreichung der Klimaziele in Zukunft der MIV reduziert werden muss, werden diese Strassen gar nicht mehr benötigt.