Schub fürs Velo, mehr Platz für Fussgängerinnen und Beibehaltung des Status quo in Zug – so könnte man das Abstimmungswochenende verkehrspolitisch auf den Punkt bringen.
In Zürich haben sich die Stimmberechtigten einmal mehr für die Förderung des Velofahrens ausgesprochen. Mit dem Doppel-Ja zur Velo-Initiative und zum Gegenvorschlag des Stadtrats und der Mehrheit, die sich bei der Stichfrage für den Gegenvorschlag ausgesprochen hat, hat die Stadtzürcher Regierung die Legitimation und Ressourcen, um dem Veloverkehr in Zürich einen mächtigen Schub zu verleihen. Auch dank umverkehR. Der Rahmenkredit von 120 Millionen Franken ermöglicht dem Stadtrat die schnelle und zweckmässige Schliessung der Lücken im Velonetz und den Bau von funktionierenden Velostationen. Die Zeit der Verzögerungstaktik und der Ausreden ist also vorbei. Oder wie es Stadtrat Filippo Leutenegger auf den Punkt bringt: «Das ist ein klarer Auftrag. Wir werden das Velonetz ausbauen.» Besserwisser könnten jetzt natürlich sagen: Der Auftrag war seit der Annahme der Städte-Initiative 2011 von umverkehR und dem Masterplan Velo, den der Stadtrat als Antwort auf die Städte-Initiative ausgearbeitet hat, klar. Sei’s drum. Es braucht offenbar mindestens zwei Abstimmungserfolge, um die Exekutive auf Kurs zu bringen.
In Bern hat sich ebenfalls eine komfortable Mehrheit der Wählenden für die Umgestaltung des Quartiers Breitenrain für knapp 90 Millionen Franken ausgesprochen. Herzstück des Projekts ist die Neugestaltung des Breitenrainplatzes. Bis dato dominiert der Auto- und Tramverkehr den Platz. Öffentliches Leben, Begegnung und Austausch können auf diesem «Platz», wie auf vielen Quartierplätzen in der Schweiz, nicht stattfinden: zu laut der Verkehr, zu eingeschränkt die Bewegungsfreiheit, zu störend die Emissionen. Mit dem Projekt «Dr nöi Breitsch», dem die Stadtberner Stimmberechtigten zugestimmt haben, bekommen Fussgängerinnen und Velofahrer mehr von diesem Platz. Zudem sollen grosse Teile des Breitenrainquartiers Tempo-30-Zone werden. Obwohl dieses Projekt auf ein Quartier beschränkt ist, haben auch alle anderen Quartiere (mit Ausnahme von Bümpliz/Bethlehem) dem Vorhaben zugestimmt. Interessanterweise gab es den höchsten Ja-Stimmen-Anteil nicht im Breitenrain, sondern im Länggass-Quartier. Für alle Nicht-Berner: Die Bewohnerinnen des Länggass-Quartiers können seit einigen Jahren von einer verkehrsberuhigten Mittelstrasse profitieren. Diese Umgestaltung hat die Lebensqualität und die Bewegungsfreiheit offensichtlich stark verbessert. Und wieder einmal zeigt sich: Sobald die Bewohnerinnen in den Genuss von weniger Verkehr kommen, wollen sie nicht mehr zurück und, besonders wichtig, unterstützen solche Vorhaben auch ausserhalb ihrer unmittelbaren Lebensumgebung.
Im privilegierten Kanton Zug gingen in den letzten Monaten die Wogen hoch: Das Stadttunnel-Projekt hat zu Diskussionen geführt wie kaum eines. Eine Flut von Leserbriefen, Zeitungsartikeln und öffentlichen Debatten war Ausdruck davon. Wenig überraschend war die Stimmbeteiligung mit 61,3 Prozent so hoch wie selten zuvor. Im Vorfeld gingen die Beobachterinnen von einem knappen Resultat aus, immerhin haben sich die Stadtregierung von Zug, der Regierungsrat, sowie die bürgerlichen Parteien (mehr oder weniger) geschlossen hinter das Projekt gestellt. Mit der deutlichen Abfuhr von knapp 63 Prozent Nein-Stimmen kann das knapp eine Milliarde Franken teure Umfahrungstunnel-Projekt als klinisch tot bezeichnet werden. Ad acta gelegt ist aber auch die Verkehrsbefreiung der Innenstadt. Mit einem ausgeklügelten Kammersystem wäre nämlich die Durchfahrt mit dem Auto durch die Stadt nach dem Bau des Tunnels verunmöglicht worden. Die Aussicht auf eine autobefreite Seepromenade und Innenstadt hat denn auch pointierte grüne Verkehrspolitiker dazubewogen, das Tunnel-Projekt zu unterstützen. Wie die Ablehnung des «Jahrhundertprojekts» mit Blick auf die Zukunft gedeutet werden muss, ist aber unklar. Das Projekt hätte Instrument sein sollen, um zwei unterschiedliche Ziele zu erreichen: Räumliche Verlagerung und damit Vereinfachung des Durchgangsverkehrs einerseits und Befreiung der Innenstadt vom Autoverkehr andererseits. Gilt das Nein der ZugerInnen nur dem teuren Instrument oder auch den beiden Zielen an sich? Bis diese Frage geklärt ist, bleibt es in Zug beim Status quo, der heisst: Täglicher Autocorso und kaum öffentlicher Raum mit Qualität in der Innenstadt.