Die fünfte Ausgabe der Veranstaltungsreihe «umverkehRt & abgefahren – Gespräche über einen zukunftsfähigen Verkehr» drehte sich um die Parkplätze und deren Erstellungspflicht. Das Podium bildete gleichzeitig den Auftakt zu einer umverkehR-Kampagne, die den Platzverbrauch des Verkehrs thematisiert. Christian Harb
Gut 50 Gäste fanden sich im Alpinen Museum in Bern ein, um die fünfte Ausgabe von «umverkehRt & abgefahren» mitzuerleben. Es war eine intensive und lebhafte Diskussion, die viele neue Aspekte aufzeigte. Nach je einem Inputreferat von Fritz Kobi, Experte für Verkehrs- und Strassenplanung, und Peter de Haan, Gruppenleiter Energiepolitik und Mobilität bei Ernst Basler+Partner AG sowie Dozent zu Energie und Mobilität an der ETH Zürich, folgte eine lebhafte Diskussion unter Beteiligung der FDP-Nationalrätin Christa Markwalder. Moderiert wurde der Anlass von Aline Trede, Co-Präsidentin von umverkehR und Nationalrätin der Grünen.
Verkehrsberuhigung und Zufriedenheit
Fritz Kobi zeigte, dass in verdichteten Siedlungsgebieten die Wege kürzer und die Verkehrsmittel umweltfreundlicher sind. Das Stichwort «Verdichtung» weckt bei der Bevölkerung oft Ängste. Diesen kann begegnet werden, indem die Aufenthalts- und Lebensqualität im Strassenraum gleichzeitig mit der Verdichtung gefördert wird. Ein gutes Beispiel ist das Zentrum von Köniz bei Bern (siehe Bild): Es wurde 2005 mit einer Tempo-30-Zone und frei möglichen Fussgängerquerungen umgestaltet, mit dem Ziel, die Situation für alle zu verbessern. Die Massnahmen führten zu einer Reduktion des Autoverkehrs um 10 Prozent. Auch im Entwicklungsschwerpunkt Bern-Wankdorf wurden mit einer Umgestaltung des Verkehrsregimes ähnlich gute Erfahrungen gemacht: Weniger Autos, mehr Fussgängerinnen und ÖV-Benutzer waren die Folge. Dabei stieg die Zufriedenheit mit der Verkehrssituation bei allen Verkehrsteilnehmenden – überraschenderweise auch bei den Automobilistinnen und Automobilisten.
Staatlich verordnetes Parkplatzüberangebot
Peter de Haan zeigte eindrücklich, wie unterschiedlich sich der Platzbedarf der verschiedenen Verkehrsmittel entwickelt. So benötigte die Bahn trotz einer Verdoppelung der Transportleistung zwischen 1985 und 2009 nur 3 Prozent zusätzlichen Platz. Der Autoverkehr benötigte dagegen für 20 Prozent mehr Personenkilometer auch 20 Prozent zusätzliche Strassenfläche. Interessant dabei ist, dass der grössere Platzbedarf beim Strassenverkehr vor allem auf das Konto der zusätzlichen Parkplätze geht. Die Parkplätze sind denn auch der beste Ansatzpunkt, um den Verkehr in den Griff zu bekommen. So wurden im Quartier Vauban in Freiburg im Breisgau vor den Wohnhäusern keine Parkplätze gebaut, und man hat darauf geachtet, dass die Wege zu den Tramhaltestellen kürzer sind als jene zu den Parkhäusern am Siedlungsrand. Viel wichtiger aber ist, dass Fehlanreize wie die Verpflichtung zur Erstellung von Parkplätzen bei Neu- und Umbauten aufgehoben werden. Denn diese Parkplatzerstellungspflicht führt zu einem staatlich vorgeschriebenen Überangebot. So müssten bei einer Siedlungsverdichtung gleichzeitig neue Parkplätze erstellt werden, was der Zielsetzung einer Verdichtung zuwiderläuft.
Längere Wege, nicht mehr Mobilität
Für Christa Markwalder führen darum autofreie Siedlungen eher zu nachhaltigen Lösungen. Sie hatte in früheren Jahren in ihrer Wohngemeinde Burgdorf einen entsprechenden Vorstoss lanciert – leider ohne Erfolg. Auf die Frage aus dem Publikum, ob nicht auch autofreie Arbeitsorte denkbar seien, meinte sie, dass in dieser Hinsicht bereits sehr viel unternommen werde. So habe ihr eigener Arbeitgeber nicht nur ein Mobilitätskonzept ausgearbeitet, er beteilige sich auch massgeblich an einer fussgängerfreundlichen Gestaltung der Hafenpromenade am Zürichsee. Oft war von technischen Innovationen die Rede, doch die haben auch ihre Kehrseiten; führen sie beispielsweise zu einer besseren Auslastung der Parkplätze, erweitern sie faktisch das Angebot. Ohnehin zeigte sich Kobi gegenüber technischen Neuerungen skeptisch, beispielsweise bei den E-Bikes: Wegen ihrer hohen Geschwindigkeit brauchen diese markant mehr Platz auf der Strasse als konventionelle Velos. In der Diskussion brachte de Haan das Verkehrsproblem auf den Punkt: Nicht die Mobilität hat zugenommen – wir sind ebenso oft unterwegs wie früher –, sondern die zurückgelegten Wege sind länger geworden. Er verdeutlichte dies mit einem Beispiel: Seine Schwiegermutter wohne zwar in Bern, fahre zur Pediküre inzwischen aber nach Scuol ins Unterengadin. Der Drang, sich zu bewegen, sei auch etwas Urmenschliches.
Wie das Umsteigen fördern?
Für Markwalder ist der ÖV schon heute sehr attraktiv. So seien etwa die 58 Minuten Fahrzeit des IC zwischen Bern und Zürich unschlagbar schnell. Sie relativiert auch die oft bemühten «vollen Züge». Über die ganze Betriebszeit gerechnet, sind die Züge nur zu 36 Prozent besetzt. Wer zwischen Bern und Zürich nur eine Stunde nach der Morgenspitze fährt, findet genügend Platz. Mit etwas Flexibilität sind für den Pendlerverkehr also massive Kapazitätsreserven vorhanden. De Haan plädierte dafür, die Parkplatzerstellungspflicht ersatzlos aufzuheben. Das Problem gerade von Einstellhallen sei, dass sie – im Gegensatz zu oberirdischen Parkplätzen, die umgestaltet werden könnten – nicht umnutzbar seien und bei Nichtbelegung an Pendler vermietet würden, was dem ursprünglichen Zweck widerspreche. Parkplätze seien ein Investitionsrisiko. Eine Liberalisierung der Parkplatzerstellungspflicht bewirke, dass Bauherren nur Parkplätze erstellten, die auch ihre Kosten decken und wirklich notwendig sind. Der Markt solle spielen. Auch für Kobi sind die Parkplätze die Schlüsselgrösse, allerdings müsse parallel zum Abbau ein Mobilitätskonzept erstellt werden, damit die Autos nicht die Quartierstrassen belasteten. Das bezweifelte jedoch de Haan und wandte ein, die Schaffung eines Mobilitätskonzepts würde den Abbau von Parkplätzen nur um 10 Jahre verzögern. So oder so, umverkehR wird dranbleiben.