Wieso nehmen immer mehr Menschen den Flieger, um in Europa zu reisen? Weil es günstig ist, würden wohl die meisten sagen. Aber stimmt das? Ist die Reise mit dem Zug tatsächlich teurer als mit dem Flugzeug?
Gestern zeigte Watson, dass dies nicht zwingend so ist. Der VCS machte bereits letztes Jahr mit einem Preisvergleich darauf aufmerksam, dass je nach Zeitpunkt der Reservation und Ziel der Reise eine Zugfahrt massiv billiger ist. Das Sparpotenzial bei einer Reise nach Wien beispielsweise liegt gemäss diesen Berechnungen bei bis zu 300 Franken. Generell kann man sagen: Je kurzfristiger die Reservation, desto besser – sprich: günstiger – schneidet der Zug ab.
Ja schon, denken sich die Vielflieger: Aber Zeit ist auch Geld, und die Reise mit dem Flugzeug ist kürzer. Plausibler Gedanke, doch zutreffend ist auch dieser nur bedingt. Die reine Flugzeit mag oftmals kürzer sein. Doch wird die gesamte Reise von der Haustüre bis zum Hotelzimmer betrachtet, nähern sich die Unterwegszeiten von Zug und Flug einander an. Züge bringen die Passagiere direkt ins Stadtzentrum. Flughäfen liegen meist ausserhalb, die Fahrt ins Zentrum dauert oft länger als 30 Minuten und ist selten günstig. Zudem kann die Zeit im Zug in den meisten Fällen produktiver genutzt werden: Grosszügige Platzverhältnisse und standardmässig WLAN ermöglichen komfortables Arbeiten. In den Nachtzügen kann sogar eine Hotelübernachtung gespart werden.
Trotzdem: Wie ist es möglich, dass die öffentliche Wahrnehmung so weit von der tatsächlichen Realität abweicht, denn die Billigfliegerei ist nicht billig, nicht einmal, wenn man die ökologischen Kosten ausser Acht lässt? Die Antwort ist einfach: Marketing! Der Wettbewerb zwischen den Airlines hat sich in den letzten Jahren zugespitzt. Die Versprechen der Fluggesellschaften, mit denen sie die Reisenden auf ihre Angebote aufmerksam machen wollen, werden immer zweifelhafter. Zu den fett gedruckten Preisen auf den Werbeplakaten kommen klein gedruckte Zusatzkosten in gleicher Höhe hinzu. Was haften bleibt beim reisewilligen Schnellentscheider sind aber die 69 Franken im Inserat und nicht die 200 Franken, die er am Ende für die komplette Reise bezahlt.
Experten sind sich einig: Internationale (Nacht-)Zugverbindungen sind zukunftsfähig. Ihre Marktposition lässt sich u.a. verbessern, wenn die Produktstärken vermehrt betont werden. Die Bahnunternehmen haben durchaus Spielraum, um KundInnen zurückzugewinnen. Was ökologisch sinnvoll ist, hat auch ökonomisch grosses Potenzial, das aber auch erkannt und genutzt werden muss.
Mit der Petition zur Rettung des Nachtzugs wollen wir die SBB und den Bundesrat auf das brachliegende Potenzial aufmerksam machen. Denn ökologisch ist die Rechnung, wie der Bundesrat selbst festhält, simpel: Ein Personenkilometer verursacht im Zug zwischen 0,010 und 0,040 kg CO2, auf einem innereuropäischen Flug hingegen zwischen 0,347 und 0,508 kg CO2.